Die künstlerischen Arbeiten:
Tatjana Basting zeigt Kettengesichter. Das sind Kohle- und Tuschezeichnungen von männlichen und weiblichen Figuren, manche mit wirrem Haar, manche mit Knollennase, manche als Kopffüßler, bei denen eine wichtige Linie in der Zeichnung durch eine kleine Kette gebildet wird. Diese Kette ist hinter der Zeichnung befestigt und verändert ihre Lage, damit die Linie und damit den Ausdruck der Figur, wenn man die Zeichnung in die Hand nimmt und bewegt. Der Besucher ist also aufgerufen etwas zu tun, was er sonst NIEMALS in einer Ausstellung tun darf: das Kunstwerk in die Hand nehmen und damit SPIELEN. Tatsächlich variieren die Arbeiten ein altes Kinderspiel.
Heiter bis leicht bewölkt war im Rückblick die Kindheit von Udo W. Gottfried. Basteln und bauen, Schiffe in Baugruben fahren lassen, Flugzeuge Kontinente überqueren - das Spiel war und ist elementar in seinem Leben und zentral in seinem Werk. Seine Installation in der Walkmühle arbeitet mit den Elementen der Dampfer auf Kinderrollern. Roller aus Holz, 27 an der Zahl, über Jahre hinweg auf Flohmärkten gesammelt, über Generationen durch Kinderhände gegangen, aufgeladen mit Geschichte und Erlebtem. Sie bilden die Basis für 27 Holzdampfer, die massig und schwer in ihrer Schwärze auf ihnen Platz genommen haben und gemeinsam als Gruppe, Horde oder Schwarm den Raum durchqueren, aus einer »Erinnerungswolke« hervorquellen und umherschweifen.
Auch die Arbeiten von Peter Sauerer sind beweglich oder waren es vielleicht einmal. Altes Spielzeug, Jungsspielzeug, ist von ihm nachgebaut worden. Modellautos, Batmobil, Spielzeugpistole. Die Stücke sind aber nicht ganz und heil, sondern bestehen aus Bruchteilen und halten nur noch durch kleine Reparaturen mit Bindfäden. In einer Welt, die wir Überflussgesellschaft nennen, in der alles Alte, Angeschlagene oder Kaputte weggeworfen wird, ist es anachronistisch, Dinge zu reparieren, zu flicken, wieder zu verwerten. Neben dem liebevollen Aufbewahren und Zusammenbauen, das an Kindertränen erinnert, angesichts des zerbrochenem Lieblingsspielzeugs und der bangen Frage: »Kannst du es wieder zusammensetzen?«, hat die Arbeit noch den zweiten Aspekt der kaputten Kinderwelten und träume.
Kinderträume werden zu Alpträumen in den Arbeiten von Patricia Waller. Sie entwirft bitterböse Bilder. Die saubere, lustige Miss Piggy aus der Muppetsshow wird fröhlich winkend im Fleischwolf zerquetscht. Kuschelteddy wird von der spielzeuggroßen Planierwalze zum Bettvorleger platt gedrückt, und der Daumenlutscher Konrad aus dem Struwwelpeter hat beide Daumen abgeschnitten bekommen, man sieht nur noch die Hände, die Schere, die Fingerstümpfe und einen See aus Blut. All diese unheilvollen Bilder hat Patricia Waller fein säuberlich gehäkelt. Dabei steht das Weiche und Kuschelige der bunten Wolle den blutigen Phantasien diametral gegenüber. Die bunten Bilder der Kinderwelten wandeln sich zu kathartischen Hinrichtungsphantasien.
Auch Andreas Welzenbach schafft witzige und niedlich anzusehende Holzarbeiten, die ebenfalls abgründige und bitterböse Beobachtungen und Gesellschaftschilderungen zeigen. Ein Spielzeug, das vom Betrachter in Gang gesetzt werden kann, zeigt er in dieser Ausstellung: »Jackies Kostüm oder die Überprüfung einer Theorie« ermöglicht es dem Betrachter selbst das Attentat auf J.F.K. nachzuspielen. Eine Holzkugel, die man ins Rollen bringt steht für die Gewehrkugel des angeblichen Todesschützen. Sie rollt durch eine Modelllandschaft um schließlich, nach einer Richtungsänderung um 180 Grad den Kopf des Präsidenten von vorn zu durchschlagen.
Um gespielte Hinrichtungen geht es auch in der Arbeit von Paul Altmann. Er hat sich in den Weiten des Internets auf die Suche gemacht und Bilder gesammelt, auf denen Männer mit Handfeuerwaffen posieren und sich ablichten lassen, als wären sie gerade unmittelbar vor einer Selbsttötung. Die Mündung der Waffe an der Schläfe, im Mund oder zwischen den Augen. Unter den vielen seltsamen Communities, die sich im Netz zusammenfinden, gibt es tatsächlich auch welche die mit der ultimativen Autoagression spielen. Spätestens an dieser Stelle wird in der Ausstellung klar, dass das Spiel nicht immer nur heiter und schöpferisch ist, sondern auch zerstörerisch und gefährlich werden kann. Spiele können Gewaltphantasien ausdrücken und reale Gewalt vorbereiten. Sie können aber auch aggressive Triebe kanalisieren und im Spiel sublimieren.
Susanne Wadle verarbeitet Kinderspielzeug, genauer Barbiepuppen in ihren alptraumhaften »Blüten«. Zu mehreren zusammengepackt, Kopf und Rumpf in einer rosafarbenen Masse verborgen, ragen Arme und Beine wie fleischige Blütenblätter aus einer unheimlichen Pflanze heraus. Die Gruppe aus wahnhaften Topfpflanzen lässt Barbie zur fleischfressenden Pflanze mutieren, die sich gerade selbst verspeist. Eine zweite Arbeit hat das Hinein- und Hinauskriechen des Kleinkindes zum Thema. »Simon« krabbelt die Wand hoch, verkehrt dabei oben und unten, entdeckt die Welt und stellt die unsrige auf den Kopf.
Auf den Zeichnungen von Peter Torp verhalten sich alte, hässliche Männer wie Kinder. Sie baden und kämmen Puppen. Sie spielen mit Geschirr und großen Bällen oder malen gedankenverloren wirre Linien in ein Schulheft. Beunruhigend und abstoßend sind nicht nur die wulstigen Lippen und fleischigen Hände, sondern auch der Kontrast zwischen der ernsthaften, korrekten Kleidung die Männer erscheinen alle in Sakko und Krawatte und dem kindischen Tun.
Auch die Figuren von Justine Otto sind ganz in ihr Tun versunken. In traumhaften Räumen, in denen Wände und Decken sich neigen, Treppen von der Wiese in den Himmel führen und alte Möbel durch den Raum schweben, sind Mädchen und junge Frauen in kurzen Sommerkleidern oder Nachthemden damit beschäftigt, die Körper von Menschen und Pferden zu bemalen. Ihr Tun erscheint nicht sinnhaft, sondern wie Ausschnitte aus einem Traum, in dem sich verschiedene Sequenzen überlappen und in einander kippen.
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Andreas Welzenbach: "Jackies Kostüm oder die Überprüfung einer Theorie", 2002
Holz, farbig gefasst
Paul Altmann: "Simple proof" (Ausschnitt), 2013
C-Print auf Alu-Dibond
Susanne Wadle: "Simon mit Faltschachtel" 2009-2010
Installation mit 20 Fotoobjekten. Fotografie auf Holz
Justine Otto: "Outliner", 2012
Öl auf Leinwand
Peter Torp: o.T. (Kamm), 2004
Bleistift auf Papier
Courtesy Thomas Rehbein Galerie