"Endstation Ritz" ("Femme du Monde") von Didier Goupil
Deutsche Erstaufführung im Rahmen der Französischen Woche Mainz
gespielt und erzählt von Susanne Schwarz
Inszenierung: Susanne Schwarz und Christiane Zerda
Malerei: Ulrike-Guminski-Reimann
Wer ist Madame?
Extravagant und kapriziös,
so alt wie das Jahrhundert und immer anonym
Didier Goupil, geboren 1963 in Paris, lebt in Toulouse. Autor, Dramaturg, Drehbuchautor und Lehrer.
Für sein erstes Werk, den Erzählband Maleterre (1995), erhielt er den Prix Thyde Monnier de la Société des Gens de Lettres und den Prix Cino del Duca.
Le jour de mon retour sur terre, eines der ersten Werke, das sich mit dem 11. September auseinandersetzte, fand sich auf der Titelseite von Monde des Livres und wurde u.a. von der New York Times, Le Point, Le Nouvel Observateur und lHumanité besprochen.
"Ich mag Bücher, die wie Visitenkarten sind. Meine Bücher sind ja immer sehr kurz, ja, da bin ich einverstanden", meint der Autor. Knapp einhundert Seiten hat der Roman, mit einer sehr lockeren Seitenaufteilung, wo auf manchen Seiten nur wenige Sätze stehen, wie kurze Prosagedichte.
Endstation Ritz:"Ein kleines Juwel, ein Diamant - Wahrhaftig ein sehr sehr schönes Buch . Eine Begegnung mit einem Autor, der bleiben wird. (France Inter), schrieb der französische Kritiker Laurent Bonelli über Didier Goupils "Endstation Ritz" im Original "Femme du Monde".
Poetisch, eigenwillig und neben aller Eindringlichkeit immer wieder humorvoll, ist der Stil des in Frankreich bereits in der dritten Auflage erschienen Buches.
Goupil: "Es stimmt, dass das Buch nicht ein narrativer Block ist. Es ist zu einer Zeit entstanden, wo ich als Schriftsteller - auch wenn das paradox klingt - großes Misstrauen gegenüber Büchern hatte. Ich fand, dass in den Büchern zu viele Wörter waren, dass die Bücher zu dick waren, dass es überhaupt zu viele Bücher in den Geschäften gab, und ich träumte davon, ein ganz dünnes Buch zu schreiben. Wir haben vorhin scherzhaft von einem Visitenkarten-Buch gesprochen, ich träumte also von einem Buch, das so dünn wie eine Klinge wäre."
Endstation Ritz (Haymon Verlag, 2008), wurde in Frankreich auch als Hörspiel bei France Culture umgesetzt und als Theateradaption beim Festival dAvignon Off 2005 aufgeführt.
Die Inszenierung
Im Oktober wird das Wiesbadener ImpulsTheater diese zeitgenössische Geschichte aus Frankreich erstmals in Deutschland aufführen.
Auch in diesem Jahr bringt das ImpulsTheater in einer Inszenierung das Erzähltheater mit der bildenden Kunst zusammen. Christiane Zerda, geboren 1913, führt gemeinsam Regie mit der viel jüngeren Susanne Schwarz, Gründerin und Regisseurin des seit 2001 in Wiesbaden ansässigen ImpulsTheaters.
Zerda ist fast so alt wie die Protagonistin von Endstation Ritz. Auch sie hat das 20. Jahrhundert erlebt: als junges Mädchen in Wuppertal, als Absolventin der Folkwang-Schule Essen, als Schauspielerin und Regisseurin. Seit 1950 lebt sie in Wiesbaden, wo sie zuletzt als Akkordeon spielende Helene in Sommer vorm Balkon im Staatstheater Wiesbaden zu sehen war. Der Regie-Assistent der Produktion, Arne Schröder, studiert Literatur. Drei Generationen arbeiten an diesem Projekt.
Susanne Schwarz spielt und erzählt die Geschichte von Madame. Sie wird unterstützt von großformatigen Bildern der Malerin Ulrike Guminski-Reimann, die eigens für dieses Theaterstück angefertigt wurden. Diese Bilder alle Porträts der Protagonistin - begleiten den Zuschauer durch das Leben dieser Frau, die, geboren am 1. Januar 1900, die Ereignisse des Jahrhunderts wachruft.
In kurzen, sprachlich verdichteten Szenen, erzählt Goupil das Leben von Madame. Schnörkellos, stellenweise ironisch, beschreibt Goupil damit die Geschichte des Jahrhunderts, das sich im bewegten Leben von Madame spiegelt. Ihr mondäner Lebensstil verhilft ihr dazu, sich häufig porträtieren zu lassen. Die fröhliche junge Frau, leidenschaftliche Kunstsammlerin, heiratet ihre große Liebe. Jedoch hat sie in dieser Ehe immer weniger zu sagen. Von ihrem Mann, einem Opportunisten, wird sie in den 40er Jahren an die Nazis verraten. Sie entkommt aus der Gefangenschaft und geht nach New York, trifft Peggy Guggenheim. Vom Trauma verfolgt, will sie sich das Leben nehmen. In Peggy's Galerie 'Art of the Century' begegnet sie der Malerei des Russen Mark Rothko. Seine neuartige Auffassung von Malerei, Farbe und Kunstbetrachtung weckt ihren Lebensmut. Die vermögende Frau kehrt nach Paris zurück, um ihre Vergangenheit zu verarbeiten. Niemand will ihre schicksalhafte Geschichte hören. Sie kann sich jeden Luxus leisten. Sie verbringt ihren Lebensabend verschwenderisch und weltabgewandt im Pariser Hotel Ritz. Hinter ihrem extravaganten Lebensstil versteckt sich jedoch eine einsame Frau, die betrogen und verraten worden ist. Oft blickt sie durch ihr Fenster auf das Treiben der Stadt.
ImpulsTheater das Theater der Erzähler
wurde 1998 als freies Theater von Susanne Schwarz in Frankfurt am Main gegründet. Seit 2001 ist das als gemeinnütziger Verein eingetragene ImpulsTheater in Wiesbaden ansässig und erhält seit 2002 Projektförderung der Stadt Wiesbaden, seit 2004 vom Ministerium für Wissenschaft und Kunst.
ImpulsTheater hat sich eine Nische im kulturellen Angebot der freien Theater in Wiesbaden geschaffen. Es befasst sich in seinen Stücken mit herausragenden Autoren wie zum Beispiel Samuel Beckett, Georg Büchner, Henri Michaux, Eric Emmanuel Schmitt. Seine Inszenierungen sind inspiriert in einer sehr ursprünglichen Form des Theaters und der Weitergabe von Kulturgut: dem Erzähltheater.
Die Kooperation mit Bildenden Künstlern, Kommunikation zwischen den Kunstformen, ist ein weiteres Anliegen. Performance (Golem ein Anfang, Bahnhof Biebrich), Happening (Hinter den Bergen, JVA Wiesbaden) und Mischformen des Theaters (Versuchsreihe Treppen, Treppenhäuser in Mainz und Wiesbaden) entstehen aus diesem Dialog.
Einen weiteren Schwerpunkt bilden interkulturelle Theater- und Filmprojekte mit Frauen aus aller Welt. Mehr Informationen unter www.impuls-theater.de.